Für bessere Luft in München muss der Freistaat nach einer Entscheidung des obersten bayerischen Verwaltungsgerichts bis zum Ende des Jahres Fahrverbote für Dieselfahrzeuge vorbereiten. Dafür räumt ihm der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) mit einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss aber mehr Zeit ein. Ob diese tatsächlich umgesetzt werden können, hängt vom Bundesgesetzgeber ab. Während die Wirtschaft vor den Verboten warnt, sehen Umweltverbände ihre Position bestätigt – und fordern die sogenannte blaue Plakette.
In Bezug auf die schnellstmögliche Einhaltung des Immissionsgrenzwerts (Jahresmittelwerts) für Stickstoffdioxid trifft der BayVGH in seinem Beschluss folgende Regelungen:
- Ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro wird für den Fall angedroht, dass der Beklagte nicht bis zum Ablauf des 29. Juni 2017 ein vollständiges Verzeichnis aller Straßen(abschnitte) in München öffentlich macht, an denen der Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid aktuell überschritten wird.
- Ein Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro wird für den Fall angedroht, dass der Beklagte nicht bis zum Ablauf des 31. August 2017 im Zuge der Öffentlichkeitsbeteiligung zur Vorbereitung der Fortschreibung des Luftreinhalteplans bekannt macht, dass Verkehrsverbote für Fahrzeuge mit Dieselmotor in Bezug auf aufzulistende Straßen(abschnitte) in den Luftreinhalteplan aufgenommen werden sollen, welche zeitlichen und sachlichen Einschränkungen für diese Verkehrsverbote gegebenenfalls geplant sind und hinsichtlich welcher Straßen(abschnitte) von Verkehrsverboten abgesehen werden soll.
- Ein Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro wird für den Fall angedroht, dass der Beklagte nicht bis zum Ablauf des 31. Dezember 2017 ein vollzugs- fähiges Konzept zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans veröffentlicht, aus dem sich ergibt, dass Verkehrsverbote für Fahrzeuge mit Dieselmotor in Bezug auf aufzulistende Straßen(abschnitte) in den Luftreinhalteplan aufgenommen werden, welche zeitlichen und sachlichen Einschränkungen für diese Verkehrsverbote gegebenenfalls zur Anwendung kommen sollen und hinsichtlich welcher Straßen(abschnitte) von Verkehrs- verboten abgesehen wird.
Der Senat wies aber darauf hin, dass dem Erlass von Fahrverboten wohl rechtliche Hürden im Hinblick auf die Straßenverkehrsordnung entgegenstünden – also Bundesgesetzgebung. Deswegen verpflichtet die Entscheidung den Freistaat nicht zur Aufnahme von Fahrverboten, jedoch zur konkreten und zeitnahen Vorbereitung solcher Maßnahmen.
Außerdem ist die Strafe nur angedroht. Sollte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) als ursprüngliche Klägerin beispielsweise das Konzept für nicht ausreichend erachten oder der Freistaat die Frist nicht einhalten, müsste sie erneut vor Gericht, sagte ein VGH-Sprecher. Dann könnte das Gericht das Zwangsgeld anordnen.
In dem Streit geht es um die EU-Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2), die in der bayerischen Landeshauptstadt alljährlich an zwei Stellen überschritten werden. 2012 hatte das Verwaltungsgericht München auf eine Klage der DUH hin verlangt, den Luftreinhalteplan für München so zu ändern, dass er Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid enthält.
Die Feinstaubwerte wurden seit 2012 eingehalten, die NO2-Werte von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft dagegen an der Landshuter Allee und am Stachus jedes Jahr aufs Neue überschritten. 2016 drohte das Gericht dem Freistaat auf Vollstreckungsantrag der DUH 10.000 Euro Zwangsgeld an, falls er dem Urteil nicht bis Juni 2017 nachkomme. Der Freistaat legte Beschwerde ein, der Streit landete beim Verwaltungsgerichtshof. Bei der Maximalsumme von 10.000 Euro bleibt auch der VGH.
Stickstoffdioxid kann Krebs und Herz-Kreislauferkrankungen verursachen. Europäische Umweltbehörden gehen von jährlich rund 10.600 vorzeitigen Todesfällen in Deutschland aus. In München gehe es um mehrere Hundert Tote, hatte DUH-Anwalt Remo Klinger bei einer mündlichen Verhandlung Mitte Februar gesagt. „Seit zehn Jahren sind Sie untätig. Rechnen Sie es hoch auf mehrere Tausend Todesfälle.“
Auch im Februar hohe Feinstaubbelastung
Stark erhöhte Feinstaubwerte haben in den ersten beiden Monaten des Jahres für schlechte Luft in Bayerns Städten gesorgt. Gleich an vier Stationen im Freistaat wurde der Grenzwert von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft in den Wintermonaten Januar und Februar an mehr als 18 Tagen überschritten, wie das Landesamt für Umwelt am Mittwoch in Augsburg bilanzierte.
Trauriger Spitzenreiter war die Messstation an der Nürnberger Von-der-Tann-Straße, wo der Grenzwert im Januar und Februar an 22 Tagen überschritten wurde. Damit gab es dort in nur zwei Monaten bereits fast zwei Drittel der pro Jahr erlaubten 35 Überschreitungen. Nicht viel besser sah es in Würzburg (Stadtring Süd) und in München (Stachus) aus, wo der Grenzwert jeweils an 20 Tagen überschritten wurde. An der Münchner Messstelle Landshuter Allee wurden 19 Überschreitungen registriert. In Würzburg (Stadtring Süd) wurde am 16. Februar ein Tagesmittelwert von 115 Mikrogramm registriert – Luftgüteklasse „sehr schlecht“.
Seit 2005 gelten zum Schutz der Gesundheit europaweit Grenzwerte für Feinstaub. Der Tagesgrenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft darf nicht öfter als 35 Mal im Jahr überschritten werden. Im gesamten Jahr 2016 hatte die Münchner Station Landshuter Allee die meisten Überschreitungen im Freistaat aufzuweisen, an 15 Tagen lag die Feinstaubbelastung über dem Grenzwert. Diesen Wert haben nach nur zwei Monaten in diesem Jahr aber bereits neun Messstationen erreicht und überschritten.
Maßgeblich beeinflusst wurden die stark erhöhten Feinstaubwerte durch das Winterwetter: Vor allem die wiederholt aufgetretenen sogenannten Inversionswetterlagen, bei denen wärmere Luftmassen über kälteren liegen und so verhindern, dass Feinstaub aus der tieferen Schicht sich mit der freien Atmosphäre austauschen kann, waren für die hohen Belastungen mitverantwortlich. In den vergangenen Tagen sorgte stürmisches Wetter endlich für Entlastung – und für befreites Durchatmen.
Mitte Februar hatten die Landtags-Grünen Alarm geschlagen und gefordert, auf die hohe Feinstaub-Belastung mit der Einführung der sogenannten blauen Plakette zu reagieren. Diese war jedoch 2016 auf Bundesebene wegen massiver Kritik gestoppt worden. Nach Ansicht der Grünen könnten die Kommunen mit der zusätzlichen Plakette ältere Autos aus betroffenen Straßen verbannen und die Bevölkerung besser vor Abgasen schützen. Bayerns Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) warf den Grünen Panikmache vor und verwies auf die winterliche Inversionswetterlage. „Aber am Jahresende wird abgerechnet und nicht schon am Jahresanfang“, sagte sie vor gut zwei Wochen im Landtag.
Was bewirkt Feinstaub?
Als Feinstaub werden winzige Schadstoff-Partikel bezeichnet. Je nach Größe dringen die Teilchen unterschiedlich tief in den menschlichen Stoffwechsel ein. Ultrafeine Partikel mit weniger als 2,5 Mikrometern Durchmesser können sich in Bronchien und Lungenbläschen festsetzen und sogar ins Blut übergehen. Kurzfristig können Asthma-Attacken und Husten auftreten, auf lange Sicht kann Feinstaub etwa auch chronische Atemwegserkrankungen, Lungenkrebs, Bluthochdruck, Schlaganfälle oder Herzinfarkte auslösen.
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